In ihrem integrierten Handlungskonzept für Duisburg-Marxloh, hat die städtische Entwicklungsgesellschaft EgDU „die Verunsicherung der Bewohner*innen durch die Stigmatisierung als No-Go-Area“ festgestellt. Um diesem Prozess entgegenzuwirken, wurde ich im Herbst 2017 vom Medienbunker Marxloh und der Stadt Duisburg mit der Entwicklung eines strategischen Kommunikationskonzeptes zur Imageverbesserung von Marxloh beauftragt.
Wo Vertrauen fehlt
Kein leichter Auftrag. Um dem Ergebnis der jahrelangen Entwicklungen im Stadtteil zum heutigen Status Quo entgegenzuwirken, bedurfte es einer ehrlichen und ganzheitlichen Betrachtung – auch und vor allem aus der Perspektive der ortsansässigen Akteur*innen. Eine Imagekampagne, wie wir sie mit „Made in Marxloh“ als freies Künstlerkollektiv einst gestartet haben, reichte zum damaligen Zeitpunkt und als Maßnahme von politischer Seite nicht, um neues Vertrauen im und für den Stadtteil zu gewinnen. Und darum geht es im Kern – sowohl in Bezug auf den Stadtteil selbst – als auch dessen Außenwahrnehmung: um Vertrauen.
Für einen ehrlichen Imagewandel galt es Vorurteilen zu begegnen, Ängsten in Bezug auf den Stadtteil ebenso wie Komplexen im Stadtteil. Es ging darum auf allen Seiten neues Vertrauen zu schaffen und zu beweisen. Politiker*innen, Akteur*innen, Einheimische und Medien müssen mehr miteinander reden, statt übereinander.
Kommunikation baut Brücken – analog wie digital
Die Idee des entwickelten Kommunikationskonzeptes war daher, über analoge und digitale Veranstaltungs-Kommunikations- und Medienformate möglichst viele Menschen zusammen zu bringen, Marxloh professionell zu vermarkten und beleben. Denn Marxloh braucht sichtbare Zeichen des Aufbruchs und der positiven Veränderung.
Seit Anfang 2014, der Öffnung der EU-Grenzen nach Südosteuropa, ist Marxloh mit besonderen Herausforderungen konfrontiert: Die ungebremste Armutszuwanderung von Bulgaren und Romänen hat das soziale Gefüge des Stadtteils auf eine harte Probe gestellt. Von Polizeigewerkschaften und Medien wurde Marxloh als „No-Go-Area“ bezeichnet und musste wieder und wieder als Musterbeispiel für misslungene Integration in den Medien herhalten. Ein Thema, das Angela Merkel persönlich im Rahmen ihrer Tour „Gut leben in Deutschland“ 2015 nach Marxloh lockte. Abgesehen von einer verstärkten Kameraüberwachung und einer städtischen „Taskforce“, die Menschen aus ihren Häusern vertreibt, ist aus Sicht der Bevölkerung nichts geschehen. Im Gegenteil – viele Bewohner*innen fühlen sich durch die Maßnahmen „kriminalisiert“ und von der Politik im Stich gelassen. Die AfD erreichte bei der letzten Bundestagswahl im Stadtteil eine Quote von 30 Prozent – insbesondere auch in der türkisch-stämmigen Wählerschaft.
Fehlende Konzepte und das Negativ-Image führen nicht nur zum Wegzug der stabilisierenden Bevölkerungsschichten, auch die Neu-Ankömmlinge aus Süd-Osteuropa sind nur auf der Durchreise. Der Stadtteil hat den Charakter einer Transitzone und es ist schwer, die Bevölkerung für ihren Stadtteil zu verpflichten, der wie ein Manko am persönlichen Lebenslauf haftet. Gleichzeitig ist gerade unter den Migrant*innen, insbesondere den vielen Kindern- und Jugendlichen, eine starke Energie und großer Ehrgeiz zu spüren. Ganz Marxloh will es schaffen und zu etwas bringen – egal wie…
Der bisherige Null Toleranz-Ansatz gegenüber denen, die sich in eine kriminelle Parallelgesellschaft zurückziehen ist das richtige Vorgehen. Doch was ist mit den anderen 90 Prozent im Stadtteil? Ihnen widmet sich die neue Kommunikationsstrategie.
Images formen Städte – Bilder machen Leuten
Für einen nachhaltigen Imagewandel gilt es verschiedene, sehr unterschiedliche „Zielgruppen“ sowohl innerhalb als auch außerhalb Marxlohs anzusprechen, die sich in ihrem Werteverständnis, in ihren Interessen und in ihrem Mediennutzungsverhalten stark unterscheiden. Das Konzept beruht daher wie bei jeder klassischen Unternehmenskommunikation auf zwei Säulen: Der internen Kommunikation und der exterenen Kommunikation.
Menschennahe, analoge Stadtentwicklungskonzepte und begleitende digitale Kommunikations- und Mitmachformate, die zum Stadtteil und den Bewohner*innen passen, können es schaffen, den Wohlfühlfaktor und Zusammenhalt in Marxloh zu stärken. Für einen nachhaltigen Wandel der Außenwahrnehmung sind analoge und digitale Erlebnis- und Begegnungsplattformen unabdingbar, die die Kraft entfalten, Vorurteile abzubauen und festgefahrene Denkmuster aufzubrechen. Die Idee ist, Marxloh über einen Mix an klassischen und modernen Marketingtools zu vermarkten. Als visuelle Klammer soll #marxlohliebtdich“ dem starken No-Go-Stigma einen selbstbewussten Faustschlag entgegensetzen.
Ein besonderer Ort braucht besondere Maßnahmen. Hoffen wir, dass die Politik entsprechende Spielräume und schnelle Handlungsmöglichkeiten einrichtet, die Maßnahmen umzusetzen…