2015 stand das Kunst- und Kulturfestival Duisburger Akzente unter dem Motto „Heimat“. Gemeinsam mit dem Künstlerkollektiv Rainer Kzonsek & Halil Özet vom Medienbunker Marxloh entwickelte ich eine Installation, die den Heimatbegriff selbstironisch hinterfragt. Unsere Motivation war es, den viel umschriebenen Begriff und die damit einhergehende Sehnsucht zu erden. Fernab von romantischen Heimatklischees, Zechen- und Schrebergärten-Melancholie, die sich in vielen künstlerischen Arbeiten des Ruhrgebiets wiederfindet, wollten wir neue Perspektiven eröffnen.
Heimat ist ein vielschichtiger Begriff, vor allem hat er aber viel mit dem eigenen Identitätsverständnis zu tun. Er beschreibt ein romantisches Gefühl von Dazugehörigkeit und Geborgenheit, häufig in Verbindung mit Kindheitserinnerungen. Es ist wichtig und wünschenswert, ein klares Heimatgefühl zu entwickeln, um selbstbewusst und zielstrebig durchs Leben zu schreiten.
Doch wie befriedigt man dieses Bedürfnis in einer Stadt wie Duisburg? Einer Stadt, die sich in den letzten 30 Jahren immer wieder radikal verändert hat. Die im Zuge des Strukturwandels und der demografischen Entwicklung heute von Leerstand, Arbeits- und Perspektivlosigkeit geprägt ist. In einer Stadt, die zwar vielen Armuts- und Kriegsflüchtlingen ein neues Zuhause bietet, die in vielen „Ureinwohnern“ jedoch gerade dadurch ein Gefühl von Heimatverlust hervorruft. Eine Stadt, die ihr Profil verloren hat. Die kein klares und selbstbewusstes Image aufweist wie Köln oder Berlin, das die Bürger stolz macht und verbindet. Eine Stadt, bei deren Bürgern Unzufriedenheit und der unerfüllte Wunsch, die Stadt zu verlassen, zur Lebenskultur gehören. Das Loveparadeunglück 2010 hat tiefe Narben in der Stadtgesellschaft hinterlassen, dem Selbstbewusstsein nachhaltig geschadet und die vorhandene Identitätskrise weiter verschärft. Was hilft es da, drumherum zu reden?
Seien wir doch mal ehrlich! „Scheiße“ ist in der Alltagssprache der Duisburger nicht umsonst ein gängiger Begriff! Nicht erst seit Schimanski….
Duisburg ist nicht im klassischen Sinne schön und die Lebensumstände vieler Bewohner echt Scheiße. All die Ruhrgebietsromantik auf Postkarten und in Kabarettprogrammen ein krampfhafter Versuch des Stadtmarketings, Scheiße schön zu reden. Duisburg ist ein Ort, den sich die Bewohner in der Regel nicht ausgesucht haben. Sie sind nicht freiwillig hier, sie müssen. Wegen der Arbeit, wegen der Familie, weil sie dort nun mal geboren sind. Ein Ort, der irgendwie bequem ist, an dem man entspannen und loslassen kann. Nicht mehr, aber auch nicht weniger! Und leider bekommen es die Duisburger im Vergleich zu anderen Städten des Ruhrgebiets nicht hin, sich selbst aus der Scheiße zu ziehen. Stattdessen beschweren sie sich lieber darüber, wie scheiße alles ist.
Was symbolisiert einen Ort wie diesen besser als ein „Scheiß“-Haus, das die Besucher einlädt, ihre Bedürfnisse loszuwerden? Ganz ehrlich und unverblümt.
Unter dem Motto „HEIMAT IST DA WO MAN HINSCHEISST“– TRETEN SIE EIN UND FÜHLEN SIE SICH WIE ZUHAUSE!“ platzierten wir bei der Festival-Eröffnung im Landschaftspark und weiteren publikumsstarken Veranstaltungen der Duisburger Akzente ein von Dixi-Deutschland gesponsertes und von uns präpariertes „Toilettenhäuschen“.
Das Häuschen wurde außen weiß beklebt und mit Textmarkern versehen. Es bot den Festivalbesuchern damit eine Plattform, sich selbst mit dem Heimatbegriff auseinanderzusetzen. Innen gestalteten wir es natürlich wohnlich und gemütlich – mit Gardinen und Blumendekoration…
Das Projekt bot Reibungsfläche und Auseinandersetzungsmöglichkeit zugleich und wurde zum bildhaften Symbol des Festivals. Vor allem aber präsentierte es Duisburg als einen Ort, den man mitgestalten kann!
Keine Frage: Die Idee hat für viel Wirbel auf städtischer und medialer Ebene gesorgt und durchaus polarisiert. Aber sie hat auch Anstoß gegeben und einen Veränderungsprozess in Gang gebracht: Im Sommer 2016 startete die Stadt Duisburg einen breit angelegten Bürger-Dialog: Ziel ist es, das Image Duisburgs aufzupolieren – sowohl nach innen, als auch nach außen: http://www.ideen-fuer-duisburg.de/?page_id=251
Wir sind gespannt, wie sich Duisburg weiter entwickelt und gestalten den Prozess gerne weiter mit!
Interview Radio Duisburg:
derwesten.de – Dixi-Klo in Duisburg als Kunstprojekt zum Akzente-Motto „Heimat“
rp-online.de – Heimat: Akzente-Motiv kommt aus Essen
Credits:
Idee und Konzept: Rainer Kzonsek, Nina Kradepohl
Pressearbeit: Nina Kradepohl und Halil Özet
Fotos: Rainer Kzonsek und Halil Özet